Die Studie befasst sich mit Körperteilweihungen aus Terrakotta, die im 4. bis 1. Jh. v. Chr. in die Heiligtümer Latiums geweiht wurden. Diese anatomischen Votive wurden bisher als Indikatoren für Heilkultstätten verstanden. Die archäologischen Kontexte, d. h. die vergesellschafteten Funde sowie die topografische Lage der Stätten und ihre Kulttraditionen, sind jedoch bisher kaum untersucht worden. In der Arbeit werden mehr als 100 Fundorte in Latium mit insgesamt über 15.000 anatomischen Votiven quantitativ und hinsichtlich ihrer Verbindung zu Lageparametern wie Quellen, Berggipfeln und der Anbindung an Siedlungen analysiert.
Auf dieser Grundlage lassen sich zwei Gruppen von Stätten klassifizieren, die sich hinsichtlich ihrer Lage, der Zusammensetzung der Votivkomplexe, der adressierten Gottheiten und in geschlechtsspezifischer Hinsicht voneinander abgrenzen lassen. Beide Gruppen wurzeln vermutlich in älteren, regionalen Kulttraditionen und lassen keinen spezifischen Schwerpunkt als ›Heilkult‹ erkennen. Damit lässt sich auch die bislang häufig vertretene Annahme, die Körperteilweihungen in Mittelitalien seien als Bestandteil spezifisch griechischer oder römischer Religion anzusehen, der im Laufe der römischen Expansion in die Heiligtümer Latiums übernommen wurde, nicht bestätigen. Stattdessen erscheint es wahrscheinlicher, dass die Körperteilweihungen in Latium in lokalen Gemeinschaften mit gemeinsamem Vorstellungshorizont, verzweigtem Netzwerk und von autochthonen Traditionen beeinflusst Verbreitung fanden. Damit lassen sie sich auch als Teil einer eigenständigen Identität innerhalb eines größeren Bezugsrahmens verstehen. Dieser Perspektivwechsel trägt zu neuen Einsichten in die Tradition und Thematik archäologischer Stätten bei, die früher als Heilkultstätten betrachtet wurden.
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April 17, 2023Kategorien
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Schlagworte:
Heilkulte, Votive, Terrakotten, Republikanische Zeit (Italien), Lazio (Regione)Kapitel
Vorwort der Herausgeber*innen Vorwort und Danksagung 1 Einleitung 1.1 Forschungsgeschichte 1.2 Fragestellung 1.3 Methodisches Vorgehen 1.4 Abgrenzung des Untersuchungsgebietes 1.5 Terminologie 2 Thematische Einführung 2.1 Geografische und chronologische Verteilung von Körperteilweihungen im Mittelmeerraum 2.2 Ursprung und Verbreitung der Körperteilweihungen des ELC-Komplexes 2.3 Schrift- und Bildquellen 2.4 Produktion (Material, Herstellungsprozess, Werkstätten) 2.5 Datierung und Überlieferung von Körperteilweihungen 2.6 Positionierung im Heiligtum 2.7 Kultischer Kontext 2.8 Interpretationsansätze der Körperteilweihungen 3 Case-Studies: Untersuchung ausgewählter Heiligtümer mit Körperteilweihungen in Latium 3.1 Topografischer und historischer Überblick 3.2 Zur Auswahl der Heiligtümer 3.3 Fundplätze 4 Ergebnisse 4.1 Quantitative Auswertung der Körperteilweihungen und ihre Vergesellschaftung mit anderen Funden 4.2 Die Topografie der Fundstellen 4.3 Die Empfänger der Weihgaben 4.4 Überregionale Vergleiche 4.5 Synthese 5 Einordnung 5.1 Vergleich mit der griechischen Tradition 5.2 Einbindung der Körperteilweihungen in den (kult-)historischen Kontext 6 Zusammenfassung, Fazit, Ausblick 6.1 English Summary 6.2 Riassunto italiano 7 Katalog: Kultplätze in Latium 7.1 Konkordanztabelle 8 Quellen- und Literaturverzeichnis 9 Abbildungsverzeichnis Tafeln 1–4
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