Investigatio Orientis 10
2024
323 Seiten / 17 x 24 cm / Hardcover, Fadenheftung
ISBN 978-3-96327-248-6 (Buch)
ISBN 978-3-96327-249-3 (E-Book, via ProQuest, EBSCO, ISD)
open access: ISBN 978-3-96327-249-4-InOr-10-Oriental-Societies.pdf
Mit der rasch zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Bürgertums ab etwa 1870 wurden in Europa und Amerika private Vereine, Fonds und Gesellschaften gegründet, um archäologische Expeditionen in die „Länder der Bibel“ zu finanzieren, die staatliche Institutionen wie Universitäten und Museen sowie Akademien der Natur- und Geisteswissenschaften ergänzten.
Die Erforschung der Geschichte des Alten Orients diente von Anfang an der Reflexion des „westlichen“ Selbstverständnisses und lieferte die Grundlage für die Projektion der Weltanschauung. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Professionalisierung archäologischer Disziplinen ermöglichten Gelehrtengesellschaften auch Laien, Amateuren und Dilettanten die Teilnahme an wissenschaftlichen Debatten und die Verbreitung bestimmter konzeptioneller Rahmen dessen, was als „Alter Orient“ wahrgenommen wurde.
Hinter der Bewegung standen unterschiedliche Motivationen, aber auch jeweilige „nationale“ Kulturen in der Wissenschaft. Obwohl wirtschaftliche und strategische Interessen in diesem „Zeitalter des Imperiums“ eine entscheidende Rolle spielten, sollte der Historiker andere Faktoren nicht ignorieren. Angesichts der zentralen Bedeutung des alten Nahen Ostens als „Wiege“ von nicht weniger als drei Weltreligionen sowie der frühesten Staaten und sogar Imperien der Weltgeschichte wurde es für europäische und andere „westliche“ Nationen zu einer Prestigefrage, ihre Museen mit Objekten aus dieser fernen Vergangenheit zu füllen – Objekte, die mit den Ursprüngen ihrer „eigenen“ Kultur, wie sie sie wahrnahmen, in Zusammenhang standen.
Darüber hinaus darf die exotische Anziehungskraft des „Orients“ nicht vergessen werden, denn er diente als Mittel der Selbstbestätigung in Abgrenzung zum orientalischen „Anderen“, und legitimierte die koloniale Ausbeutung und die Semantik einer „Bürde des weißen Mannes“, eine zivilisierende „Mission“ und eine kulturelle Verantwortung für den Orient aus sich zu nehmen.
Nach den vielen politischen Umwälzungen infolge des Ersten Weltkriegs entstanden neue Vereinsformen, um den Verlust staatlicher Mittel auszugleichen, aber auch um den Verlust zuvor fest verankerter Weltanschauungen zu beheben.
Eine systematische und transnationale Untersuchung dieser Zusammenhänge bleibt ein Desiderat. Dieser Band mit Beiträgen von Historikern und Archäologen sowie Vertretern anderer Disziplinen aus verschiedenen Ländern bietet die Grundlage für einen wirklich interdisziplinären Diskurs, der sich auf orientalische Gesellschaften als Mittel gesellschaftlicher Selbstbehauptung konzentriert.
Inhaltsverzeichnis Editor’s Foreword
Christoph Jahr: Europe and the Orient: Bourgeois Scholarship and Imperial Sense of Mission in the Long 19th Century
Part I: Early Encounters
Marco Bonechi: The Rise and Fall of the Società Asiatica Italiana
Felicity Cobbing: The Motivations of the Palestine Exploration Fund: Hidden and not-so Hidden Agendas at Work in a Learned Society in the Late 19th Century
Stefania Ermidoro: The “Assyrian Society” and the Early Exploration of Ancient Mesopotamia
Part II: Imperial Self-Reflections
Sebastiaan R. L. Berntsen: The Sichem Committee: A Case Study of Dutch Private Sponsorship of Near Eastern Archaeology
Silvia Alaura: Oriental Societies and Hittite Studies in Victorian England: Tracing the History of an Entangled Relationship
Reiko Maejima: Babylon Society, a Private Japanese Association in the Early Years of the 20th Century
Part III: Egyptian Stakeholders
Marleen De Meyer, Jean-Michel Bruffaerts and Jan Vandersmissen: The Fondation Égyptologique Reine Élisabeth in Belgium and the Creation of National and Transnational Egyptological Research Infrastructures in the 1920s–1940s
Stephanie L. Boonstra: Fundraising for Amarna: Evidence from the EES Archive
Thomas L. Gertzen: Jews excavating in Egypt? An Archaeological Endeavour of the Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens
Part IV: Absences and Adaptions
Katalin A. Kóthay: Hungarian Archaeological Presence and Absence in Egypt and the Orient at the End of the Long 19th Century and during the Interwar Period
Hana Navratilova: Bohemian Absences: The Academy of Sciences in Prague and the Network of European Institutions Involved in Archaeological Research in Egypt in the 1900s
Willemijn Waal: From Wish to Reality. The Foundation and Early Years of the Netherlands Institute for the Near East (NINO)
Carolien H. van Zoest: Overview of Societies and Initiatives in the Netherlands in the 20th Century
Olaf Matthes: Financing Babylon. The German Oriental Society and its Funding System
Illustration Credits
Index
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